Hallo,
Ernst-Dieter Gorny schrieb am 07. Dec. 2002 um 10:58 Uhr:
Mich stört nur immer wieder die Behauptung, Ruth Handler/Mattel hätte die Rechte VOR der Einführung auf dem amerikanischen Markt erworben.
Zustimm! Ich finde es auffällig, wie sich "zufällig" immer wieder dieser kleine Fehler einschleicht. Als hätte jemand Sorge, einen Anzeigenkunden zu verärgern. Dabei ist die Sache inzwischen sicherlich verjährt. Da könnte man sich ruhig mal leisten, die Wahrheit zu schreiben.
Tatsächlich hat Mattel die Rechte erst 1962 erworben, nachdem Barbie weltweit bereits vermarktet war und in Deutschland auf den Markt kam.
1964
Allerdings gab es 1959 m. W. kein Patent auf die Lilli in den USA, so dass für die USA keine Rechteverletzung vorlag.
Es gab ein Patent auf Lillis Beinkonstruktion, die es ihr ermöglicht, mit geschlossenen Beinen zu sitzen. Meines Wissens galt es weltweit, aber dazu finde ich im Augenblick keine Quelle. Auf jeden Fall aber galt es in Europa und in den USA, dort als US-Patent Nr. 2,295,684.
Mattels Vorgehen war für das gesunde Rechtsempfinden ganz klar eine Rechtsverletzung - Mattel hat ganz einfach Lillis nach Japan schicken und dort kopieren lassen. Eigentlich sollte sie einen anderen (neuen) Kopf bekommen, aber das klappte nicht so recht, und so wurde schließlich auch der Kopf kopiert. Aber hier geht es nicht um Strafrecht, sondern um Zivilrecht. Man kann also den Übeltäter nicht einfach anzeigen und die Justiz ihren Gang gehen lassen. Der Rechteinhaber muß sich seine Rechte einklagen. Die kleine Firma Greiner & Hausser (*) konnte es sich finanziell nicht leisten.
Louis Marx (*) machte Rolf Hausser (*) auf Barbie aufmerksam und erwarb 1960 eine Lizenz u.a. an den US-Rechten an Lilli (die er als "Miss Seventeen" in den USA herausbrachte), mit dem Versprechen, gerichtlich gegen Mattel vorzugehen. Marx erhob 1961 Klage gegen Mattel, und es gab einen Prozeß, in dessen Verlauf Ruth Handler behauptete, Barbie wäre durch "Yankee-Volkskunst" inspiriert. Er endete 1963 mit einer außergerichtlichen Einigung, bei der jede Seite für ihre Prozeßkosten aufkommen mußte; was zwischen den beiden Firmen vereinbart wurde, ist nicht bekannt.
Meine persönliche Vermutung ist: Hausser hat sich den falschen Lizenznehmer gesucht. Marx war sonst eher derjenige, der kopiert, als derjenige, von dem kopiert wird. Miss Seventeen liegt qualitativ deutlich unter Barbie (und unter Lilli), und auf den ersten Blick hat man nicht den Eindruck, daß sie das "Original" wäre und Barbie die "Kopie". Während Mattel mit Barbie ein Patent von Marx verletzte, verletzte zur gleichen Zeit Marx ein Patent von Mattel an einem Spielzeuggewehr. Ich vermute, wenn eine der Firmen, die damals hochwertiges Spielzeug produziert haben (wie etwa Ideal und Madame Alexander) die Rechte an Lilli erworben und vertreten hätten, wäre die Sache anders ausgegangen.
Rolf Hausser, dessen Firma als Nebenkläger aufgeführt war, erfuhr von dem Prozeß übrigens erst Mitte 1997, als Dan Miller (*) ihn während der Recherche für den unten erwähnten Artikel befragte.
zu den Namen: * Rolf Hausser war einer der Inhaber von Greiner & Hausser AG (oder O&M Hausser), der Firma also, die Lilli herstellte. Greiner & Hausser meldete in den Sechzigener Konkurs an.) * Louis Marx war Inhaber der gleichnamigen Spielzeugfirma * Dan und Barbara Miller waren die Herausgeber der Barbie-Sammler-Zeitschrift Miller'$ Magazine. (Die Zeitschrift war meiner Meinung nach die mit Abstand beste ihrer Art, wurde aber leider inzwischen eingestellt.)
Quellen: * Artikel "In the Beginning there was Lilli" in Miller'$ Winter 97/98 (In diesem Artikel sind auch viele Fotos von der allerersten, handmodellierten Lilli.) * Interview mit Rolf Hausser, veröffentlicht auf der Homepage von Miller'$ im August 1999 * Buch von M.G. Lord "Forever Barbie"
Viele Grüße
Anja